Die heimische Wirtschaft hat schon bessere Tage erlebt: Die Geschäftslage sinkt, Umsätze gehen zurück, der Optimismus schwindet. Aber es gibt auch Lichtblicke: Die Eigenkapitalausstattung der Betriebe zeigt trotz vieler Unwegsamkeiten leicht nach oben – trotzdem wird weniger investiert. Ist Österreichs Wirtschaft in einer (negativen) Endlosschleife gefangen?
Text: Markus Hinterberger
„Wirtschaftswunder Österreich“ oder „Österreichs Wirtschaft boomt“. Das sind Schlagzeilen aus vergangenen Tagen. Keine Frage, auch heute wird in Österreich viel Gutes gestaltet, produziert und entwickelt. So zeigt unter anderem die heimische Exportquote von rund 60 % bei Waren und Dienstleistungen, dass die Unternehmen auch international bestehen können. Zudem weist Österreich mit etwa 160 Unternehmen mehr sogenannte „Hidden Champions“ in Relation zur Einwohnerzahl auf als jedes andere Land der Welt, wie aus einer Studie des Instituts Simon-Kucher hervorgeht. „Hidden Champions“ sind jene, die auf ihrem Gebiet entweder unter den Top drei weltweit oder die Nummer eins in Europa sind und weniger als fünf Milliarden Euro Umsatz im Jahr erwirtschaften. Zumeist sind sie im B2B-Bereich tätig. Und: Österreich hat laut dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) auch viele Weltmarktführer, die Evidenz dafür sind, dass es heimischen Betrieben gelingt, sich im Spitzenfeld des jeweiligen Sektors zu positionieren. Trotzdem läuft das oft zitierte „halbvolle Glas“ Gefahr, maximal halbvoll zu bleiben. Zu vielfältig und langwierig sind jene Herausforderungen, mit denen sich die heimischen Betriebe seit längerer Zeit herumschlagen müssen. Zu häufig müssen Brände gelöscht und Löcher gestopft werden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Für aktive Gestaltung und innovative Weiterentwicklung bleibt da oft zu wenig Zeit. Das muss sich ändern.
Geschäftslage sinkt.
Die aktuellen Ergebnisse der jährlichen Austrian-Business-Check-Umfrage des KSV1870 bestätigen diese Entwicklungen und zeichnen ein wenig erfreuliches Bild. Die Geschäftslage der heimischen Unternehmen hat sich im Vergleich zum März 2023 um vier Prozentpunkte verschlechtert. Aktuell bewerten 50 % der Betriebe diese mit sehr gut oder gut. Doch die Geschäftslage ist nicht überall gleich, sondern gestaltet sich von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. Während 56 % der Industriebetriebe ihre wirtschaftliche Situation mit sehr gut oder gut bewerten, sind es im Handel (45 %) um elf Prozentpunkte weniger. Immerhin ist es dem Handel gelungen, das eigene Vorjahresergebnis (37 %) zu verbessern. „Die vergangenen Jahre stecken vielen Unternehmen tief in den Knochen. Zudem erreicht die Anzahl an negativen Einflüssen ein Ausmaß, das es den Betrieben erschwert, sich aus der Abwärtsspirale zu befreien. Dass in solch einer Situation der Optimismus schwindet, kommt wenig überraschend“, so Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding AG. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand. Sie manifestieren sich insbesondere in den Themen Inflation, Preissteigerungen auf Lieferantenseite und einem, subjektiv empfunden, verschlechterten Zahlungsverhalten. Dazu sorgen hohe Energiekosten und eine geringe Auftragslage bei vielen für gehörig Kopfzerbrechen.
Angst vor gesundheitlichen Folgen steigt.
Der Arbeitskräftemangel ist auch im Jahr 2024 allgegenwärtig. Sechs von zehn Unternehmen fehlen Arbeitskräfte, was mittel- und langfristig systemgefährdend sein kann. Der Personalmangel zieht sich quer durch alle Bereiche, besonders stark betroffen ist dabei das Gewerbe, wo 63 % der Betriebe über zu wenig Mitarbeiter klagen – dazu zählt auch das Baugewerbe. Aber auch im Gesundheits- und Sozialwesen oder in der Warenproduktion fehlt es an Fachkräften. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Tourismus und in der Gastronomie, die durch die Corona-Krise sehr stark gebeutelt wurden. Viele Mitarbeiter waren hier gezwungen, sich anders zu orientieren, wie es Franziska van Zijl, Unternehmensberaterin für Personal- und Organisationsentwicklung, im Interview formuliert. Die Folgen des Arbeitskräftemangels sind mannigfaltig: Hohe Zusatzbelastungen für bestehende Mitarbeiter, steigende Kosten, um Mitarbeiter zu halten, und Umsatzeinbußen infolge von Aufträgen, die aus Ressourcengründen abgelehnt werden müssen, zählen dabei zu den häufigsten Auswirkungen. „In Gesprächen und Umfragen, die wir mit den Unternehmen führen, rückt das Thema Gesundheit immer häufiger in den Fokus. Die Zahl jener, die sich aufgrund der anhaltend hohen Belastungen um die körperliche und geistige Fitness ihrer Mitarbeiter, aber auch um ihre eigene Gesundheit massive Sorgen machen, wächst täglich“, so Vybiral. „Sehr viele sind an ihre Belastungsgrenze gestoßen, was nicht nur für die Person selbst entscheidend ist, sondern auch die Widerstandsfähigkeit des gesamten Gesundheitssystems auf eine harte Probe stellt. Hier braucht es rasch wirksame Maßnahmen, bevor es zum Kollaps kommt.“
Nicht alles ist negativ: Eigenkapital wird gestärkt.
Viele Unternehmen haben zuletzt vieles richtig gemacht. Angesichts der steten Implosionsgefahr aufgrund zahlreicher externer Gefahren ist das keine Selbstverständlichkeit.
Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass der aktuelle Mix an Negativentwicklungen in seiner Dimension wohl einzigartig ist und häufig wenig positiven Einfluss auf die Geschäftsentwicklung der Betriebe nimmt. Nichtsdestotrotz bewerten 57 % der Befragten ihre aktuelle Eigenkapitalausstattung mit sehr gut oder gut – insbesondere Industrieunternehmen (71 %) performen überdurchschnittlich. Den geringsten Anteil an „zufriedenen Betrieben“ weist hingegen das Gewerbe (46 %) auf. „Viele Unternehmen haben zuletzt vieles richtig gemacht. Angesichts der steten Implosionsgefahr aufgrund zahlreicher externer Gefahren ist das keine Selbstverständlichkeit und zeugt von einer bestehenden Widerstandsfähigkeit“, erklärt Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH. Dieses Ergebnis bestätigt auch der Trend der vergangenen drei Jahre: Immerhin 42 % der Unternehmen erkennen eine positive Entwicklung ihres Eigenkapitals seit dem Jahr 2021. Mit Blick auf die aktuellen „Brennpunktbranchen“ in Österreich sind 43 % der Handelsunternehmen mit der Entwicklung zufrieden, 40 % innerhalb der Bauwirtschaft, und im Bereich Gastronomie/Beherbergung resümieren 28 % positiv. In Letzterem herrscht jedoch überwiegend Stillstand punkto Eigenkapitalentwicklung.
Investieren ja, aber nicht um jeden Preis.
Trotz ordentlicher Eigenkapitalausstattung ist das Thema Investitionen zuletzt aber etwas ins Hintertreffen geraten, denn die Unternehmen planen deutlich vorsichtiger als in der Vergangenheit und überlegen genau, welche Investitionen notwendig sind und welche warten können. Demzufolge haben lediglich 17 % (2023: 21 %) der Unternehmen Investments für dieses Jahr fest eingeplant, weitere 41 % (2023: 49 %) machen etwaige Investments von der Geschäftsentwicklung in den nächsten Monaten abhängig. Parallel dazu ist der Anteil jener, die keine Investitionen ins Auge fassen, von 30 % auf 42 % angestiegen. Ein Lichtblick: Von jenen Unternehmen, die Geld in die Hand nehmen möchten, wollen 55 % die Investitionen dazu nutzen, um den eigenen Betrieb weiterzuentwickeln und innovativer auszurichten. Das ist insbesondere in der Industrie und im Dienstleistungssektor der Fall.
Auswirkungen: Der Kreditmarkt bricht ein.
Die rückläufige Investitionsbereitschaft innerhalb der österreichischen Wirtschaft führt auch dazu, dass die Zahl der Kreditaufnahmen im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken ist – und zwar von 20 % auf 9 %. Demzufolge erwägt gerade einmal jedes zehnte Unternehmen, im heurigen Jahr einen Kredit aufzunehmen. „Insgesamt scheinen Österreichs Unternehmen dem Thema Kredit aktuell eher reserviert gegenüberzustehen. Zwar gibt es noch einige Betriebe, wo eine finale Entscheidung offen ist und abgewartet wird, wie sich das laufende Geschäftsjahr entwickelt, doch schon jetzt scheint klar zu sein, dass es am Ende des Jahres deutlich weniger Kreditvergaben geben wird als in der jüngeren Vergangenheit“, so Wagner. Die häufigsten Gründe, warum ein Kredit aufgenommen wird, sind auch heuer die Finanzierung von Renovierungs- und Umbaumaßnahmen, der Aufbau neuer Geschäftsbereiche sowie der Ankauf von Immobilien. Insgesamt wird die Kreditaufnahme aber als immer schwieriger eingestuft. Die Gründe dafür werden vor allem im Bereich der Zinserhöhungen gesehen, aber auch darin, dass immer mehr private und unternehmerische Sicherheiten gefordert werden. Zusätzlich erschwert das hohe Maß an Bürokratie eine mögliche Kreditaufnahme.
Große Sprünge in 2024? Eher nicht!
„Die Ausgangslage könnte besser sein, dennoch liegt es an uns allen, den Wirtschaftsstandort Österreich wieder auf Vordermann zu bringen“, so Vybiral. Was angesichts einer sinkenden Umsatzprognose für 2024 wahrlich keine leichte Aufgabe zu werden scheint. Während im Vorjahr noch knapp die Hälfte der rund 1.200 Befragten erhöhte Umsätze verzeichnete, erwarten heuer nur noch 31 %, dass es in dieser Tonart weitergeht. Basierend auf diesen Erkenntnissen, ist es wenig überraschend, dass auch die Prognose für 2024 verhalten ausfällt. Lediglich ein Viertel der Unternehmen spekuliert damit, dass sich ihre Geschäftslage im Jahresverlauf verbessern könnte. Vonseiten des WIFO heißt es dazu, dass die heimische Wirtschaft um die Jahresmitte 2024 sowohl im Euro-Raum als auch in Österreich wieder Fahrt aufnehmen soll, vorausgesetzt die EZB lockert ihre Geldpolitik. Für das Gesamtjahr 2024 erwartet das WIFO trotz allem ein weiterhin eher schwaches Wirtschaftswachstum. 2025 soll sich dieses aus heutiger Sicht beschleunigen. Immerhin.
Fotocredit: WILKE
Aus dem Magazin forum.ksv - Ausgabe 02/2024.