Während die Zahl der Firmenpleiten gegenüber dem Vorjahr angewachsen ist und knapp über dem Vorkrisenniveau 2019 liegt, entwickelt sich die heimische Baubranche immer mehr zum Sorgenkind.
Wien, 20.09.2023 – Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung sind in den ersten drei Quartalen 2023 in Österreich 3.906 Unternehmen (+ 9,9 % gegenüber 2022) von einer Insolvenz betroffen. Den deutlichsten Zuwachs verzeichnet Kärnten (+ 39,5 %), den größten Rückgang vermeldet Tirol (- 5,0 %). Weiters haben sich die vorläufigen Passiva* um 24,6 Prozent auf 1,88 Mrd. Euro erhöht. Darüber hinaus gerät die Bauwirtschaft immer mehr unter Druck: denn während sich der Handel bereits seit längerer Zeit in der Krise befindet, verdichten sich nun die Gewitterwolken über der Baubranche zunehmend. Mit Blickrichtung Jahresende werden in Österreich insgesamt bis zu 5.300 Firmenpleiten erwartet.
Österreichs Wirtschaft scheint trotz anhaltender wirtschaftlicher Herausforderungen insgesamt recht krisenresistent zu sein. Zwar ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen (3.906 Fälle entsprechen 14 Firmenpleiten pro Tag) in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 um knapp zehn Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen, dennoch liegt das aktuelle Ergebnis nur um 2,6 Prozent über jenem aus dem Vorkrisenjahr 2019. Parallel dazu sind die mangels Kostendeckung nicht eröffneten Insolvenzen um 6,4 Prozent auf 1.507 Pleiten gestiegen. „Anhand der aktuellen Zahlen von einer Insolvenzwelle zu sprechen, wäre falsch. Bei dem Anstieg handelt es sich um die vom KSV1870 seit längerem prognostizierte Nivellierung, die uns wohl auch in nächster Zeit begleiten wird“, erklärt MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz, und ergänzt: „Die mitunter subjektive Wahrnehmung vermehrter Insolvenzen liegt vor allem darin begründet, dass es über den Sommer hinweg einige prominente Handelsunternehmen erwischt hat, die aus durchaus nachvollziehbaren Gründen von großem medialen Interesse begleitet wurden.“ Darüber hinaus ist die Zahl der betroffenen Mitarbeiter auf 18.400 Personen (+ 80 %) und jene der betroffenen Gläubiger auf 31.400 Geschädigte (+ 44 %) angewachsen.
Handelsunternehmen treiben Passiva* in die Höhe
Neben den aktuellen Fallzahlen haben sich auch die vorläufigen Passiva* im Vergleich zum Vorjahr erhöht – und zwar um 24,6 Prozent auf 1,88 Mrd. Euro. Geschuldet ist diese Entwicklung vor allem den bis dato größten Insolvenzen des Jahres. Neben der „Leiner & kika Möbelhandels GmbH“ (132 Mio. Passiva) sind das mit der KSR Group GmbH (80 Mio. Euro) und der Zentrasport Österreich e.Gen. (68,9 Mio. Euro) zwei weitere Handelsunternehmen. Ein Blick in die Bundesländer zeigt, dass die Passiva in Tirol mit einem Plus von knapp 146 Prozent am deutlichsten gestiegen sind. Im Burgenland haben sich die Verbindlichkeiten hingegen um rund zwei Drittel reduziert.
- Pressemeldung Insolvenzstatistik Unternehmen 1. - 3. Quartal 2023 HR zum Download
- Infografik Unternehmensinsolvenzen 1. - 3. Quartal 2023 zum Download für Print
- Infografik Unternehmensinsolvenzen 1. - 3. Quartal 2023 zum Download für Web
Mehr Privatkonkurse, aber Vorkrisenniveau nicht erreicht
Während die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren in den ersten neun Monaten des Jahres einen leichten Anstieg verzeichnet, ist das Schuldenausmaß gesunken.
Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung wurden in den ersten neun Monaten 2023 in Österreich 6.616 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren (24 Fälle pro Tag) gezählt. Das entspricht einem Plus von 6,5 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Den größten Zuwachs (+ 41 %) verzeichnet Vorarlberg, den deutlichsten Rückgang (- 8,1 %) vermeldet die Steiermark. Obwohl die Privatkonkurse gestiegen sind, haben sich die vorläufigen Passiva* quasi nicht verändert. Ein marginaler Anstieg von 688 Mio. Euro auf 690 Mio. Euro entspricht einem Plus von gerade einmal 0,3 Prozent. Das hat zur Folge, dass die durchschnittliche Schuldenhöhe von knapp 111.000 Euro auf etwa 104.000 Euro pro Schuldner gesunken ist.
Wie eine aktuelle KSV1870 Umfrage zeigt, bemerken 54 Prozent der heimischen Unternehmen, dass Privatpersonen aktuell weniger kaufen bzw. weniger Geld ausgeben als im Vorjahr zur selben Zeit. Dieses Ergebnis zeigt, dass sich die finanzielle Situation vieler Menschen in Österreich immer schwieriger gestaltet und die hohen Kosten bei Lebensmitteln, Miete und Strom für zahlreiche private Haushalte ein reelles Problem darstellen. In Anbetracht dieser aktuellen Situation kann der Anstieg von 6,5 Prozent auf insgesamt 6.616 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren in den ersten drei Quartalen 2023 als moderat bezeichnet werden, zumal aufgrund der wirtschaftlichen Situation der vergangenen Monate ein deutlicherer Anstieg der Privatkonkurse erwartet wurde. „Dennoch müssen wir der Wahrheit ins Auge blicken. Die finanzielle Situation der Privaten spitzt sich weiter zu, und auch wenn die Menschen mit ihrem Geld in Krisenzeiten bewusster umgehen, wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis die Zahl der Privatkonkurse deutlich in die Höhe schnellt“, erklärt MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz. Zum Vergleich: Im Jahr 2019, und damit vor Beginn der Krisenjahre, wurden in den ersten neun Monaten knapp 7.200 Privatkonkurse, und damit um rund acht Prozent mehr Fälle, eröffnet.
Kein einheitliches Bild in den Bundesländern
Während die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren auf Bundesebene gestiegen ist, verzeichnen die einzelnen Bundesländer teils sehr unterschiedliche Entwicklungen. Den größten Anstieg bei den Privatkonkursen gibt es demnach laut aktueller KSV1870 Hochrechnung in Vorarlberg (+ 41 %), den deutlichsten Rückgang verzeichnet hingegen die Steiermark mit einem Minus von 8,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nach absoluten Zahlen liegt die Bundeshauptstadt Wien mit 2.137 Fällen und einem Plus von 5,2 Prozent weiterhin klar in Front.