Autor: Barbara Wiesler-Hofer, KSV1870 Insolvenzexpertin
Das Dreieck der Kapitalanlage beschreibt das Verhältnis zwischen den drei Eckpunkten Risiko, Rendite und Liquidität: Wer sich nur auf einen der drei Punkte konzentriert, muss bei den beiden anderen Abstriche machen – mehr Rendite erkauft man sich zwangsläufig mit mehr Risiko und/oder weniger Liquidität. Wer glaubt, dass es ein magisches System gibt, mit dem man bei täglicher Handelbarkeit und ganz ohne Risiko hohe Erträge erwirtschaften kann, irrt.
Natürlich gibt es immer wieder Finanz-Zampanos, die genau das versprechen. Doch ihre Konstrukte haben mit einem anderen dreieckförmigen Gebilde zu tun – es sind Pyramidenspiele, auch Schneeball-System genannt. Der erste von ihnen war Charles Ponzi, der bekannteste Bernie Madoff – und der „erfolgreichste“ in Österreich Wolfgang Auer-Welsbach.
Ein Finanz-Genie aus Krumpendorf
Angefangen hat alles in Krumpendorf in Kärnten: In der 3000-Seelen-Gemeinde am Wörthersee gründete Auer-Welsbach, der seinen wohlklingenden Nachnamen von seiner Großmutter übernahm, ein Finanzunternehmen namens AvW. Es bestand aus zwei Teilen: Der börsennotierten AvW Gruppe, die angeblich in großartige Wertpapiere sowie in Gold investierte sowie aus der AvW Invest, die Genussscheine mit hoher Verzinsung ausgab, in die man als Anleger ebenfalls investieren konnte, um am Erfolg der Gesellschaft teilzuhaben. Warum die Kurse immer durch die Decke gingen und AvW ein Rekordjahr nach dem nächsten vermeldete, konnte auch stets erklärt werden: Auer-Welsbach war einfach der Mann mit der Glaskugel und seine Berater zumindest die drei Weisen am Finanzmarkt.
"Letzten Endes lag die Quote für doch 400 Millionen Euro an anerkannten Ansprüche bei etwa 17 %." Barbara Wiesler-Hofer
Abzocke mit System
Nichts davon war wahr: Wie ein Gutachter im Nachhinein feststellte, war das System AvW ein kapitalmarktorientiertes Perpetuum mobile. Frische Anlegergelder wurden genutzt, um die Zinsen für die bisherigen zu zahlen – und mit dem Rest lebten Auer-Welsbach und Co. in Saus und Braus. Doch aus der Physik ist bekannt, dass es ein Perpetuum mobile nicht geben kann. Auch an der Börse lief die Sache nur gut, solange die Trendpfeile nach oben zeigten. Ende 2008 brach die Finanzkrise aus, die Kurse kollabierten. Verängstigte Anleger wollten ihre AvW-Papiere verkaufen und das Geld zurückhaben. Allein: Es ging nicht. Der dreistellige Millionenbetrag, den Tausenden Privatanlegern bei AvW investiert hatten, war verschwunden.
Eine Mega-Insolvenz
Beide AvW-Teile meldeten Insolvenz an, und im Mai 2010 wurden zwei Konkursverfahren am Landesgericht Klagenfurt eröffnet. Sofort war klar, dass die Insolvenz AvW alles bisher in Kärnten Dagewesene sprengen würde. Werden in Kärnten in einem normalen Jahr rund 150 Insolvenzverfahren mit im Durchschnitt rund 40 Gläubigern eröffnet, so hatte die AvW Gruppe mehr als 10.000 Geschädigte. Für die Bearbeitung dieser Mega Insolvenz wurde von zwei Insolvenzverwaltern eigens eine Insolvenzverwaltungs-GmbH gegründet und die KSV1870 Mitarbeiter am Standort Klagenfurt tauchten gleichsam in die Betreuung dieser Mega Insolvenz ein - aus der sie nicht sobald wieder auftauchen sollten. Hunderte Forderungsanmeldungen waren aufzubereiten und zu Gericht zu senden und dutzende Gläubigerausschusssitzungen zu verrichten, die sich teilweise über halbe Tage hinzogen. Insolvenzarbeit ist Teamwork und selten war Teamgeist so gefragt, wie in diesem Verfahren.
Lange Suche nach den Millionen
Rasch erteilte das Gericht den Auftrag zur gesamten Verwertung des noch vorhandenen Vermögens. Auch wenn es bei weitem nicht ausreichte, die Ansprüche der Anleger zu befriedigen, befanden sich dennoch wertvolle Aktienpakete, Liegenschaften und ein exklusiver Fuhrpark in den Massen – und dann noch das AvW-Gold: Mit 100 Kilogramm Gewicht die größte Goldmünze der Welt. Diese wurde unter regem Interesse im Dorotheum versteigert und brachte 3,27 Millionen Euro. Letzten Endes lag die Quote für doch 400 Millionen Euro an anerkannten Ansprüchen bei etwa 17 Prozent. Wo der Rest verblieben ist, wissen wohl nur die Beteiligten. Nicht vollkommen überraschend stellte sich während des Verfahrens heraus, dass sich auch noch ein Prokurist der Gesellschaft und ein Wertpapierbroker an einigen Millionen der AvW bedient hatten.
Gerichtliches Nachspiel
Vor Gericht zeigte sich der einstige Finanzjongleur reuig: Wolfgang Auer-Welsbach legte ein volles Geständnis ab und gab zu, dass er über Liechtenstein-Stiftungen 95 Prozent der AvW-Invest-Aktien selbst gehalten hatte, um den Kurs durch An- und Verkäufe zu manipulieren. So erwirkte er immerhin ein Urteil spürbar unter der Höchststrafe von 10 Jahren, wovon er 6 Jahre absitzen musste. Letztlich darf Auer-Welsbach froh sein, in Österreich verurteilt worden zu sein und nicht in den USA: dort erhielt Bernie Madoff 150 Jahre Gefängnis. Allerdings hatte Madoff Hollywood-Stars betrogen – und nicht Privatanleger in Österreich.