Bilderbuch-Pleiten: Der Fall Niki Luftfahrt

Niki Lauda war ein österreichischer Promi der A-Kategorie. Der dreimalige Formel-1-Weltmeister machte nach seiner Rennsportkarriere auch als Luftfahrtunternehmer von sich reden. Wo immer Lauda involviert war – langweilig war es nie. Das gilt auch für das hochkomplexe Insolvenzverfahren der Niki Luftfahrt mit Beginn rund um den Jahreswechsel 2017/2018.

Die Firma Niki Luftfahrt GmbH, in der Öffentlichkeit primär unter dem Namen „Fly Niki“ bekannt, wurde 2003 von Niki Lauda gegründet. Bereits ein Jahr später stieg die Air Berlin als Minderheits-Gesellschafter ein und erhöhte ihre Anteile im Jahr 2010 auf 49,9 Prozent, ein Jahr später übernahm sie das komplette Unternehmen. 2017 geriet Air Berlin in Insolvenz. Die Tochter Niki sollte an die Lufthansa verkauft werden. Doch die Europäische Kommission macht dem Vorhaben aufgrund wettbewerblicher Bedenken einen Strich durch die Rechnung. Infolgedessen wurde am 13. Dezember 2017 am Amtsgericht Charlottenburg ein Insolvenzantrag gestellt. Ab diesem Moment war die Fluglinie „grounded“, wie es auf Neudeutsch heißt – kein Flugzeug hob mehr ab, der Flugverkehr von Niki Luftfahrt war eingestellt.

Beschwerde gegen Verfahrensstandort

Ein österreichisches Unternehmen, dessen Insolvenz an einem deutschen Gericht verhandelt wird? Das fanden damals viele Beobachter kurios. Der eingesetzte Insolvenzverwalter strebte einen raschen Verkauf an, um das Unternehmen zu retten. Tatsächlich zeichnete sich bald die aus der Fusion von Iberia mit British Airways entstandene International Consolidated Airlines Group (IAG) als aussichtsreichster Bieter ab. Doch dann geschah etwas Unvorhersehbares: Ein auf Flugpassagierrechte spezialisiertes Unternehmen, das zahlreiche Passagiere gegenüber Niki Luftfahrt vertrat, legte Beschwerde gegen den Gerichtsstandort Deutschland ein. Das Landgericht Berlin gab dieser Beschwerde statt und hob die erstinstanzliche Entscheidung vom Amtsgericht Charlottenburg auf. 

Sofortiger Verwertungsprozess angeordnet

Damit war der Weg für ein Verfahren in Österreich frei. Und tatsächlich wurde am 12. Jänner 2018 ein Konkursverfahren am Landesgericht Korneuburg eröffnet. Der zuständige Richter bestimmte, dass ein sofortiger Verwertungsprozess zu beginnen habe. Bis Ende des Monats sollten die Angebote potenzieller Käufer auf dem Tisch liegen. Zudem bestellte das Gericht einen Gläubigerausschuss, dem auch der KSV1870 angehörte. Ganz aus dem Spiel war Deutschland allerdings nicht. Denn gemäß den Richtlinien des europäischen Insolvenzrechts kann bei grenzüberschreitenden Insolvenzen, also solchen, bei denen sich Vermögenswerte eines insolventen Unternehmens in mehreren Staaten befinden, in diesen Staaten ein so genanntes Sekundärverfahren eröffnet werden. So war es auch im Fall von Niki Luftfahrt: Das Hauptverfahren fand in Österreich statt und in Deutschland wurde ein Sekundärverfahren eröffnet. Dieser Umstand begleitete alle Beteiligten für die gesamte Verfahrensdauer. Denn auch wenn das Hauptverfahren in Österreich lag, so musste man sich doch mit dem deutschen Insolvenzverwalter absprechen und Einvernehmen in vielerlei Rechtsfragen und faktischen Maßnahmen herstellen. 

Entscheidende Sitzung

Die Suche nach einem Käufer für die insolvente Niki Luftfahrt fand unter gehörigem Zeitdruck statt. Denn eine Fluglinie, die nicht fliegt, läuft Gefahr, ihre Start- und Landerechte (die so genannten „Slots“) bei den Flughäfen zu verlieren. Gerade diese Rechte sind aber ein ganz wesentliches Asset für einen Unternehmensverkauf (oder auch eine Verwertung) einer Fluglinie. Auch deshalb, weil die Flugzeuge selbst sehr häufig nur geleast sind, so auch bei Niki Luftfahrt. Zudem laufen viele Kosten weiter, selbst wenn die Flugzeuge am Boden bleiben. Am 22. Jänner 2018 fand die entscheidende Gläubigerausschusssitzung statt. Anwesend war der Konkursrichter, die Masseverwalterin, die Mitglieder des Gläubigerausschusses, der deutsche Masseverwalter im genannten Sekundärverfahren sowie die Firmenvertreter und Anwälte von den in die enge Wahl gekommenen Kaufinteressenten. Als Sieger eines transparenten Bieterverfahrens ging Laudamotion hervor.  

Niki kauft Niki

Die Sitzung dauerte von 14 Uhr nachmittags bis vier Uhr morgens. Der Marathoncharakter erklärt sich vor allem dadurch, dass die Angebote der drei Unternehmen zu Beginn nicht vernünftig miteinander vergleichbar waren. Neben dem Kaufpreis ging es unter anderem auch um Fragen wie eine mögliche Übernahme von Dienstnehmern oder der Leasingverträge für die Flugzeuge. Deswegen wurde den Bietern in mehreren Runden die Möglichkeit gegeben, ihre Angebote nachzubessern. Am Ende blieb Laudamotion als Bestbieter übrig, die anderen Interessenten zogen zurück. Das neue Unternehmen von Niki Lauda, der übrigens persönlich bei der Sitzung anwesend war, übernahm somit die meisten Vermögenswerte der insolventen Niki Luftfahrt und nahm den Flugbetrieb unter der neuen Marke auf. Den Mitarbeitern von Niki Luftfahrt machte Lauda ein Übernahmeangebot. Nachdem dieser Deal schlussendlich über die Bühne ging, galt es im Rahmen des Konkursverfahrens die Prüfung der durch die Gläubiger angemeldeten Forderungen zu finalisieren, sowie mögliche Anfechtungstatbestände und steuerliche Aspekte zu prüfen, gegebenenfalls durchzusetzen und abzuschließen. Immer wieder war dabei auch eine Einigung mit dem deutschen Sekundärverwalter herzustellen. Dabei ging es natürlich auch um jene Forderungen von Passagieren, die Entschädigungen für Flugverspätungen, verlorenes und/oder beschädigtes Gepäck einforderten. Gleichzeitig stand die Frage im Raum, wie mit sogenannten „Ticketgläubigern“ (deren Flugtickets nunmehr eine Konkursforderung darstellen) verfahren wird. Diese mussten sich jedoch weitestgehend an die Muttergesellschaft AirBerlin wenden, da sie Gläubiger im Verfahren der deutschen Mutter waren. Das hatte den einfachen Grund, dass Tickets von FlyNiki eigentlich bei AirBerlin gekauft wurden und FlyNiki „nur“ die durchführende Fluggesellschaft war. Gekennzeichnet war dies auf den Tickets mit dem Verweis „operated by FlyNiki“. 

Positives Ergebnis

Ein kurioses Detail am Rande, das freilich nichts mit dem Konkurs bzw. dem Konkursverfahren selbst zu tun hat: Ein Jahr später verkaufte Niki Lauda seine Laudamotion-Anteile an Ryan Air. Nichtsdestotrotz endete für die Gläubiger die ganze Angelegenheit mit einer Konkursquote von rund 23 Prozent, was in Österreich einer überdurchschnittlichen Verteilungsquote entspricht.