Stay at home, lieber Exekutor!

Autor: Georg Ebner, Insolvenzreferent KSV1870 Graz

Anwalt erklärt Mandanten ein Gerichtsurteil

Die Novelle der Exekutionsordnung soll aussichtslose Pfändungen einbremsen und die Entschuldung forcieren. Sogar ein neues Verfahren, das Gesamtvollstreckungsverfahren, wurde dafür auf den Weg gebracht.


Alles neu in der Exekutionsordnung (EO)? Könnte man so sagen, denn die Novelle hat es in sich. Jahrzehntelang vom Gesetzgeber nicht angegriffen, wird nun auf die Exekutionen reagiert, bei denen auch über Jahre hinweg kaum etwas Pfändbares zu holen ist. Die Rechtspfleger erhalten hierfür zusätzliche Kompetenzen und das neue Gesamtvollstreckungsverfahren kommt ins Spiel. Zudem wird einiges für die Gläubiger vereinfacht. Mussten sie bisher genau festlegen, ob sie eine Fahrnis- oder auch Gehaltsexekution beantragen, um in weiterer Folge auch zur Abgabe eines  Vermögensverzeichnisses zu gelangen, so entfällt dies nun. Der Gesetzgeber spricht von Exekutionspaketen, in denen die unterschiedlichen Arten gebündelt werden und auch die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses inkludiert ist. Im „erweiterten Exekutionspaket“ wurde festgelegt, dass der Rechtspfleger auf Wunsch des Gläubigers einen Verwalter - vergleichbar einem Insolvenzverwalter in der Insolvenz - bestellen kann. Seine Aufgabe ist es, bewegliches Vermögen zu erheben, um in der Folge die geeigneten Schritte zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zu setzen.

Dauerexekutionen reduzieren

Aber zurück zu den aussichtslosen Pfändungen. Bislang finden viele hoch verschuldete Österreicherinnen und Österreicher - trotz offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit – nicht den Weg in den Privatkonkurs. Sie verbleiben in einer Art „Dauerexekution“ ohne Aussicht auf Veränderung. Die Gläubiger wiederum betreiben und betreiben mit großem Aufwand, doch auch hier kaum Ergebnisse. Bei solchen „aussichtslosen“ Fällen hakt nun das neue Gesetz ein, das ab 1. Juli in Kraft tritt. Ab dann kommt den Rechtspflegern bei Bezirksgerichten eine entscheidende Rolle zu: Sie prüfen nach Vorliegen eines Exekutionsantrages eines Gläubigers und anhand der durchzuführenden Vermögenserhebungen durch Vollstreckungsorgane wie dem Gerichtsvollzieher, ob eine Person oder ein Einzelunternehmer zahlungsunfähig ist. Stellen sie dies fest, dann ist Schluss mit dem Pfänden. Das macht den Weg in das Gesamtvollstreckungsverfahren frei. Ein Verfahren übrigens, das völlig neu ist. Verankert in der hinsichtlich des Gesamtvollstreckungsverfahrens novellierten Insolvenzordnung - und nicht in der EO - wird es als eine Art des Schuldenregulierungsverfahrens tituliert und hat damit Auswirkungen auf den Privatkonkurs. Daher wird das auf Antrag eines Gläubigers eröffnete Gesamtvollstreckungsverfahren im Insolvenzedikt auch als Schuldenregulierungsverfahren bezeichnet. 

Fließender Übergang vom Exekutions- ins Insolvenzverfahren

Worum handelt es sich hierbei? Nach Feststellung der Zahlungsunfähigkeit durch den Rechtspfleger werden die Gläubiger darüber informiert, dass weitere Exekutionsversuche einstweilen nicht mehr möglich sind und sie nun einen Antrag auf Gesamtvollstreckung stellen können. Damit bekommen die Gläubiger ein neues Instrument in die Hand, um ihre Forderungen aktiv einbringlich zu machen. Im Schuldenregulierungsverfahren stellt üblicherweise der Schuldner den Antrag. Wird das Verfahren eröffnet, dann sammeln die Rechtspfleger alle pfändbaren Beträge ein. Verteilungen an die Insolvenzgläubiger sind durchzuführen, sobald eine Quote von zumindest 10% verteilt werden kann, jedenfalls aber nach drei Jahren, wie das Gesetz regelt. Zum Zug kommen jene Gläubiger, welche ihre Forderung bei Gericht im Verfahren geltend machen. Der Gedanke einer gleichmäßigen Verteilung einer Quote, um keinen Gläubiger zu bevor- oder zu benachteiligen stammt ganz klar aus der Insolvenzordnung. Im Rahmen der Exekution ist das anders, hier erhält der erste, der sie beantragt, die gepfändeten Beträge (first come, first serve). Im Grunde geht das Verfahren endlos weiter solange pfändbare Beträge beim Schuldner vorhanden sind. Das Gericht kann aber nach fünf Jahren einen Schlussstrich ziehen - wenn kaum Zahlungen eingegangen sind. Und jetzt kommt´s: Wird das Verfahren ohne Entschuldung beendet, leben alle Forderungen wieder auf und es kann wieder exekutiert werden. 

Sanftes Drängen in die Schuldenregulierung

Das Gesamtvollstreckungsverfahren ermöglicht – so es beendet wird - dem Schuldner also keinen wirtschaftlichen Neustart. Aber der Gesetzgeber hat eine Alternative im Köcher. Wird ein solches Verfahren eröffnet, dann kann der Schuldner, wenn er das möchte, umsteigen auf ein klassisches Schuldenregulierungsverfahren, indem er den Gläubigern (im laufenden Gesamtvollstreckungsverfahren) einen Zahlungsplan, Sanierungsplan oder die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens anbietet. Dieses wird aktuell ebenfalls novelliert und soll im Juli in Kraft treten. Die Gesetzesvorlage beinhaltet die Verkürzung der Entschuldungsdauer. So soll die Prüfung der Angemessenheit des Zahlungsplanes von fünf auf drei Jahre reduziert werden. Das bisherige Abschöpfungsverfahren soll als Tilgungsplan drei Jahre, als Abschöpfungsplan fünf Jahre dauern. Der 3-jährige Tilgungsplan soll nur jenen Schuldnern zu Gute kommen, die nach Feststellung der Zahlungsunfähigkeit rasch reagieren und sich um eine Entschuldung bemühen. Wer das nicht macht, dem bleibt der 5-jährige Abschöpfungsplan. Es ist zu befürchten, dass diese Neuregelungen den Zahlungsplan unattraktiver machen. Wir als Gläubigerschützer sehen das sehr kritisch, da mit reduzierten Rückflüssen an die Gläubiger zu rechnen ist. Dies obwohl viele Schuldner über die finanziellen Mittel verfügen, länger und damit mehr zurückzahlen zu können. Aber das ist bereits ein weiteres Thema. Insgesamt würde ich mutmaßen, dass die mangelnde Attraktivität des Gesamtvollstreckungsverfahrens, das Schuldenregulierungsverfahren umso annehmbarer erscheinen lassen soll. Denn wer sich im Rahmen eines Privatkonkurses entschuldet, kann eben wirtschaftlich neu durchstarten und die Fehler der Vergangenheit hinter sich lassen.

Veröffentlichung zum Schutz der Gläubiger

Durchaus überraschend ist für mich ein Detail des Gesetzes, das auf die Veröffentlichung der Zahlungsunfähigkeit als auch der Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens abstellt. Zwar ist aktuell noch unklar, wie genau die Veröffentlichung erfolgen soll, jedoch werden in Österreich bereits die Unternehmens- und Privatinsolvenzen in der sogenannten Ediktsdatei veröffentlicht. Sie wird also als Veröffentlichungsorgan dienen. Die Veröffentlichung mag für den Schuldner unangenehm sein, für die Gläubiger ist sie jedoch wichtig. Schließlich werden sie vor zahlungsschwachen bzw. -unfähigen Kunden gewarnt und können Zahlungsausfälle bzw. langjährige kostenintensive Betreibungen wie auch Exekutionen vermeiden. Hier noch eine Info der Vollständigkeit halber: Die Exekutionsdatenbank des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) soll weiterhin nur einem sehr eingeschränkten Personenkreis, etwa Rechtsanwälten und Notaren, zugänglich sein. Aber: Einsichtsrechte von Gläubigern werden immerhin erweitert. 

Staat zwingt die Beteiligten zum Handeln

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in Österreich bisher die Lücke zwischen jenen Personen, die in den Privatkonkurs gehen und jenen, die es nicht tun, aber genauso zahlungsunfähig sind, groß ist, bzw. nunmehr verringert werden soll. Diese Novelle reagiert darauf und ist somit positiv zu bewerten. Ob die Ausgestaltung des Gesetzes dabei hilft, die Ziele - schnellere Entschuldung, Vermeidung wenig erfolgversprechender, langjähriger Exekutionen und Forcierung des Schuldenregulierungsverfahrens – zu erreichen, wird die Praxis zeigen. Für die Gläubiger besteht die berechtigte Hoffnung, dass die Exekutionsphase verkürzt wird und schneller in ein Verfahren mit klaren Regeln übergegangen werden kann. Dem Wettrennen um Pfändbares wird damit ein schnelleres Ende bereitet. Das macht den Geschäftsbetrieb in Bezug auf offene Forderungen planbarer als bisher, hoffentlich auch erfolgreicher im Sinne schnellerer Rückzahlungen. Aber – eine kleine Fußangel muss es ja immer geben – auf jene Gläubiger, die ein Pfandrecht (ausgenommen Liegenschaft) erworben haben, lastet nun auch der Druck, innerhalb von sechs Monaten nach Feststellung der Zahlungsunfähigkeit einen Antrag auf Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens zu stellen. Ansonsten erlischt das Recht. 

Wer mehr zu diesem Thema erfahren möchte, dem empfehlen wir unser aktuelles Webinar zur Insolvenzrechtsreform.