Forschung und Entwicklung - Hinkt Österreich hinterher?

Österreichs Unternehmen und auch der Staat stecken viel Geld in Forschung & Entwicklung – dennoch sind wir in Sachen Innovationsleader international abgeschlagen.
 

 


Sieht man sich die Zahlen an, so müsste Österreich in Sachen Forschung & Entwicklung mit Top-Nationen mithalten können: Mit einer Forschungsquote von 3,12 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) lagen wir 2015 im EU-Vergleich an zweiter Stelle, gleich hinter Schweden mit 3,26 %. Zum Vergleich: 2014 betrug die Forschungsquote in Korea 4,29 %, Japan schaffte 3,59, und die USA kamen auf 2,73 %. Auch bei der Unternehmensförderung erreicht Österreich unerwartet Spitzenwerte. Während Österreich 0,27 % des BIP investiert, liegt die Quote bei führenden Innovationsländern zwischen 0,07 und 0,17 %, so die OECD.

Nachholbedarf.
Dennoch zeigt eine Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), dass es in Sachen Forschung & Entwicklung Nachholbedarf gibt. Innovationsleistung wird in der WIFO-Studie an der Fähigkeit gemessen, zur höchsten Leistungsgrenze (Frontier) in den vier Bereichen Wissenschaft, Technologie, Innovation und Wirtschaft beitragen zu können. Schlecht sieht es dabei in Sachen Grundlagenforschung (Wissenschafts-Frontier) aus: Hier erreicht Österreich nur 69 % der Leistung von Innovationsführern wie Dänemark, Deutschland oder Finnland. Im Bereich der angewandten Forschung und bei Erfindungen (Technologie-Frontier) sind es 86 %, bei der Umsetzung von neuem Wissen in wirtschaftliche Aktivitäten (Innovations-Frontier) liegen wir bei 88 %. Am höchsten bewertet wurden die Verbesserung der Marktposition in bestehenden industriellen Stärken (98 %) sowie die heimische Produktivität (Wirtschafts-Frontier) mit 94 %.

Doch woran liegt es, dass Österreich hinterherhinkt? Laut WIFO-Experte Jürgen Janger fördern die führenden Länder Innovation anders als Österreich. So erreichen die Hochschulausgaben pro Kopf bei uns nur 85 % des Niveaus der Innovationsführer. Im Bereich der wettbewerblichen Finanzierung der Universitäten sind es gar nur 40 %. Eine weitere, von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG beauftragte WIFO-Studie zeigt, dass etwa zwei Drittel der neu zugesagten Förderungen an Unternehmen vergeben werden. Forschungseinrichtungen erhalten rund 17 % der Gesamtförderung, an die Hochschulen gehen nur 13 %.

Anders fördern.
Dass verstärkt Unternehmen gefördert werden, hat natürlich ihren Grund: „F&E durchführende Unternehmen schaffen mehr Arbeitsplätze, haben ein höheres Umsatz- und Investitionswachstum und optimistischere Investitionspläne“, so Studienautor Martin Falk über die WIFO-Studie. „Die Förderungen sind sehr hoch. Die Möglichkeiten, die Wirksamkeit der Förderungen zu prüfen, im europäischen Vergleich aber sehr schlecht“, sagt Janger. Hinsichtlich der Effizi­enz, mit der Forschungsanstrengungen in wirtschaftliche Effekte umgesetzt werden, liege Österreich im Mittelfeld der Europäischen Union. „Es ist schön, Förderprogramme zu haben. Doch die Förderung nützt nur, wenn die Unternehmen auch den Mut haben, die daraus entstehenden Ergebnisse umzusetzen“, so Robert Woitsch, Mitglied der Geschäftsführung der BOC Asset Management GmbH.

Finanziert durch Unternehmen.
Die heimische Forschung & Entwicklung wird großteils von den Unternehmen selbst finanziert (siehe Kasten). Dabei herrscht eine hohe Konzentration: Von den rund 3.500 Unternehmen, die in der F&E-Statistik als Forschungsbetreiber erfasst sind, kamen 2015 jene 47 Unternehmen mit den höchsten F&E-Ausgaben für die Hälfte aller F&E-Ausgaben auf. Der österreichische Patentkaiser (2016: 137 Patentmeldungen) ist der steirische Automobilzulieferer AVL List. Rund 10 % des Umsatzes werden in eigenfinanzierte Forschungsprojekte gesteckt, aktuell besonders im Bereich von CO2-neutralen Antriebssystemen sowie der Elektrifizierung und Automatisierung der Antriebe. Mit dem heimischen Portfolio an Instrumenten der Forschungsförderung ist man sehr zufrieden. „Was aber schwierig ist in Österreich: Aufgrund zahlreicher, an sich positiver politischer Initiativen werden sehr viele Forschungsprogramme entwickelt, die manchmal auch sehr ähnliche Themen ansprechen. Da aber das Geld leider nicht aus Füllhörnern fließt und damit das Gesamtfördervolumen mit der Vielzahl an neuen Programmen nicht Schritt halten kann, stagnieren oder sinken die verfügbaren Fördersummen pro Themenbereich“, sagt Peter Prenninger, Corporate Research Coordinator der AVL List GmbH.

Begrenzte Fördermittel.
Trotzdem sollte die Grundlagenforschung nicht vernachlässigt werden, wie Horst Bischof, Vizerektor für Forschung an der TU Graz, erklärt: „Sie ist als Unterfütterung für Dinge wichtig, die später umgesetzt werden können. Wir könnten viel mehr Auftragsforschung abwickeln, wenn mehr Geld für die Grundlagenforschung da wäre. Denn um Projekte qualitätsvoll abwickeln zu können, brauche ich eine Stammmannschaft.“ Eine ideale Konstellation an der TU Graz wäre aus seiner Sicht je ein Drittel für Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Auftragsforschung, um am Markt zu bestehen. Das Drittel im Bereich der Grundlagenforschung sei so aber leider nicht vorhanden.

Hochschulen fördern.
Die WIFO-Studie plädiert dafür, verstärkt Geld in den Hochschulbereich zu stecken, wodurch sich diese Investitionen mehrfach rechnen würden: „Sie erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung von Wissen in universitäre Unternehmensausgründungen“, so Janger. Ein Beispiel für eine solche erfolgreiche Gründung ist das universitäre Spin-off Lithoz: Mit dem LCM-Verfahren (Lithography-based Ceramic Manufacturing) können keramische Bauteile präzise gefertigt werden. „Lithoz ist es als erstem Unternehmen weltweit gelungen, eine additive Fertigungstechnologie für Hochleistungskeramik zu entwickeln, die den hohen Ansprüchen der Industrie entspricht. Das heißt aber auch, dass es derzeit keine Experten auf diesem Gebiet gibt, die man für Unternehmen wie Lithoz rekrutieren kann. Die Vernetzung von Ausbildung und Nachwuchsförderung ist daher essenziell“, so Johannes Homa, CEO der Lithoz GmbH.
 

Forschung & Entwicklung: Hauptsächlich von Unternehmen finanziert

Der Anteil von Österreichs Unternehmen an der Finanzierung von Forschung & Entwicklung ist hoch.

Bruttoinlandsausgaben für Forschung & experimentelle Entwicklung (F&E)
in Österreich 2017:

  • 48,2 % Unternehmenssektor
  • 36,0 % öffentlicher Sektor
  • 15,4 % Ausland*
  • 0,4 % privater gemeinnütziger Sektor

    Insgesamt: 11.325,42 Millionen Euro

* Ausländische Unternehmen sowie Rückflüsse aus EU-Forschungsprogrammen inkludiert.
Quelle: Statistik Austria, F&E-Globalschätzung 2017 (Stand: April 2017)



Autor: Sonja Tautermann